Wie schon angekündigt, war ich am 26. November auf der Wissenswerte-Konferenz in Bremen. Dort haben die Wissenschaftsjournalisten Marc Scheloske, Lars Fischer, Daniel Lingenhöhl und ich ein BarCamp-Experiment gewagt, das ich persönlich super spannend fand und zu dem ich gerne noch was schreiben möchte.
Das BarCamp-Experiment
Auf einer so klassischen Konferenz wie der Wissenswerte ein Mini-BarCamp anzubieten, wie es Marc und Lars getan haben, finde ich nicht nur spannend, sondern auch mutig. Man kennt das ja, auf typischen Konferenzen darf man am Ende mit viel Glück noch fünf Minuten lang Fragen stellen, für deren Diskussion dann aber kaum Zeit bleibt. Interaktivität ist da eher nicht so das große Ding. Marc und Lars wollten das ändern und ein wesentlich offeneres Format anbieten. Und meiner Einschätzung nach ist das für den ersten Versuch auch gut gelungen:
- Das Interesse an der Veranstaltung und den Themen war wesentlich größer als ich erwartet hatte. Der große Saal dürfte mit irgendwas zwischen 120 und 150 Leuten gefüllt gewesen sein. Darunter waren offenbar auch etliche Twitter-Nutzer.
- War es ein BarCamp? Es hat vereinzelt Kritik gegeben, die Veranstaltung wäre zu frontal gewesen, kein BarCamp. Nun, es war ein Experiment. Allein die Anzahl von Interessierten macht ein wirklich offenes Format schwierig. Ich habe jedenfalls noch keine BarCamp-Session mit > 120 Teilnehmern erlebt. Auch die räumliche Aufteilung mit dem Podium hat dazu beigetragen, dass es frontaler war als beabsichtigt. Dazu kamen drei Kurz-Präsentationen à 5-10 Minuten. Allerdings kann ich die Kritik auch nur bedingt nachvollziehen, denn es hat unzählige Aufrufe und Möglichkeiten zum Mitmachen gegeben (offenes Pad auf der Website, Kommentarfunktion in drei Blogs und auf der Website, Twitter, Mikro bzw. Meldungen, der Hinweis zu Beginn, auch längere Meldungen oder eigene Präsentationen wären erwünscht). Die Veranstaltung war meiner Meinung nach so offen, wie es bei einem ersten Mal ging.
- Marc hat es im Pad schon geschrieben: Wir haben ein paar Tweets verpasst auf dem Podium, weil niemand speziell dafür abgestellt war, die zu lesen. Vielleicht wäre das bei einer eventuellen zweiten Veranstaltung angebracht.
- Es gab dank vieler Fragen und Anmerkungen keine größeren Momente, in denen wir peinlich berührt da saßen und nicht wussten, was wir diskutieren sollen. Davor graust es einem ja doch ein wenig, wenn man sich auf sowas spontanes einlässt, auf das man sich auch nur bedingt vorbereiten kann.
Storify-Präsentation und Diskussion
Ich hab an diesem Tag kurz das Tool Storify vorgestellt. Ich hatte zwar den Eindruck, den ein oder anderen damit neugierig gemacht zu haben, aber es entstand auch eine angeregte Urheberrechtsdebatte zu Storify und dann auch zu Twitter etc. Die geäußerten Ängste und Zweifel sind sicher begründet und ich will sie auf keinen Fall unter den Tisch fallen lassen. Ich hatte ja angekündigt, meine Kurz-Präsentation in leicht ausführlicherer Form online zu stellen. Ergänzt habe ich dort unter anderem eine handvoll weiterführender Links zum Thema Urheberrecht und Social Media.
Ich würde mir wünschen, dass die Skepsis immer bleibt, denn sie gehört zu unserem Beruf. Aber ich wünsche mir auch, dass sie nicht so abschreckend wirkt, dass Neugierde und Experimentierlust darunter leiden. Storify und weitere Tools lassen sich auch so nutzen, dass man auf der sicheren Seite ist. Wie, steht hier:
Ich frage jetzt mal hier nach, weil ich auf der verlinkten Website immer noch nicht schlauer geworden bin: Es ging ja um einen 90-Minuten-Block, bei dem es 3 vorab geplante Präsentationen gab und anschließend dann eine offene Fragerunde zum Thema Social Media (inkl. Diskussion über die drei Präsentationen), richtig? Falls ich das so richtig verstanden habe, sehe ich leider nicht wirklich einen Zusammenhang zu einem BarCamp, bei dem die Teilnehmer das Programm mitgestalten und eigenen Input geben. Das klingt für mich nach einer sehr aufgelockerten (und vermutlich auch sehr erfolgreichen) Podiumsveranstaltung, aber eben nicht nach einem BarCamp.
Die drei Kurz-Präsentationen waren natürlich geplant (wie es das auch auf BarCamps gibt). Dann war zusätzlich eine gute Stunde Zeit, in der alles erlaubt und gewünscht gewesen ist, genau wie du es zum BarCamp beschreibst: Mitgestalten durch eigenen Input, auch weit über Fragen und Diskussion hinaus. Möglich gewesen wäre also alles. Steht ja auch oben im Text.
Wir hatten null Programm für diese Zeit – und haben entsprechend auf das reagiert, was von den Leuten im Raum kam. Das waren hauptsächlich Fragen. Wenn das der offensichtliche Bedarf ist, dann finde ich das auch ok.
Und genau so hab ich’s auch schon mehrfach auf den BarCamps Ruhr erlebt. Ein Problem hab ich da aber nie drin gesehen…
Hmmm, würde da schon klar unterscheiden zwischen aktiver Teilnahme (also grundsätzliche Fragen / Antworten einbringen im Rahmen einer einstündigen Fragestunde, was für Konferenzen schon eher ungewöhnlich ist) und Sessions halten / anstossen (im Rahmen eines ein- oder mehrtägigen BarCamps).
Versteh mich bitte nicht falsch: Solche Fragestunden sind wichtig und gut, gerade weil es idealerweise klappt, dass man zumindest ein wenig “auf Augenhöhe” kommuniziert und die Teilnehmer auch wirklich “offen” fragen. Und die Teilnehmer werden Neues gelernt haben, da bin ich sicher. Aber das ändert nichts daran: Da von einem (Mini-)BarCamp zu sprechen, halte ich für falsch. Es weckt Erwartungen, die nicht erfüllt werden können und dem Format auch nicht gerecht werden.