Müssen Journalisten Weblogs nutzen? Ist man nur ein guter Journalist, wenn man selbst ein Weblog führt? Nein. So wie man die Relevanz von Weblogs für den Journalismus nicht pauschal mit “wichtig” oder “egal” beurteilen kann, kann man auch nicht pauschal behaupten, alle oder gar keine Journalisten müssten Weblogs nutzen. Will man aber untersuchen, welche Vorteile Weblogs Journalisten und Medien bieten können, muss man wissen, welche Arten von Weblogs für Medienmacher überhaupt relevant sind.
Vier Weblog-Typen sind relevant
Die amerikanischen Kommunikationswissenschaftler David Domingo und Ari Heinonen haben 2008 in der Zeitschrift “Nordicom Review” eine Weblog-Typologie (PDF) veröffentlicht, die für Journalisten und Medien relevante Weblogs kategorisiert. Basierend auf ihrer Beziehung zu den etablierten Medien haben die Autoren diese Blogs in vier Typen unterteilt. Da meine Befragung auf diesen vier Weblog-Typen aufbaut und diese Begriffe somit in diesem Blog noch öfter fallen werden, stelle ich diese im Folgenden vor. Dazu erkläre ich kurz, wie ich nach meinen Interviewpartnern gesucht habe.
[Sehr kurz zusammengefasst habe ich die Typologie in den FAQ.]
Die meisten Weblogs sind Citizen Blogs (übersetzt etwa “Bürger Blogs”). Citizen Blogger stammen von außerhalb der etablierten Medien und sind zum Beispiel Wissenschaftler, Juristen oder Blogger, die über aktuelle oder lokale Themen berichten. Ihre Blogs können vor allem als Quelle, Feedback-Kanal oder zur Themenfindung interessant sein. Auf der Suche nach Citizen Bloggern habe ich tagebuchartige Weblogs über Alltagsthemen ausgelassen. Statt dessen habe ich nach “Experten” möglichst vieler Themenbereiche gesucht – unabhängig davon, ob sie beruflich bedingt als Experten gelten können oder hobbymäßig immer wieder über bestimmte Themen bloggen.
Interessant fand ich, dass ich trotz gezielter Suche kein einziges Blog gefunden habe, das monothematisch Medienkritik übt und nicht von einem Journalisten geführt wird. Außerdem waren alle von mir gefundenen Blogger über eine E-Mail Adresse im Impressum erreichbar und die Mehrheit bloggt unter Realnamen. Vor diesem Hintergrund relativiert sich die oftmals von Journalisten geäußerte Behauptung, Blogger seinen anonym und daher unglaubwürdig.
Bloggende Mediennutzer und Redakteure
Audience Blogs werden von Medienunternehmen als Plattform für das jeweilige Medien-Publikum angeboten. Sie fördern die Community-Bildung, können einen Dialog zwischen Nutzern und Journalisten herstellen und die Bindung zur Dachmarke des Mediums festigen. Sie können mit den redaktionell erstellten Inhalten zusammenhängen oder völlig unabhängig davon sein. Hier wird viel experimentiert, mit sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Hierauf werde ich demnächst noch genauer eingehen.
Media Blogs werden größtenteils von Redakteuren geführt und sind wie die Audience Blogs Teil der Online-Auftritte von Medienunternehmen. Manchmal bloggen unter der Dachmarke eines Medieums auch Experten wie Ökonomen oder Juristen. Auch hier experimentieren Redaktionen viel, der Spielraum ist enorm. Möglich sind Blattkritik, das Behandeln zeitlich begrenzter Ereignisse wie Wahlen, Kolumnen oder Kommentare und sämtliche Spezialthemen. Die Blogs bei Zeit Online beispielsweise bilden die mögliche Bandbreite meiner Meinung nach ganz gut ab. Zwei Media Blogger von Zeit Online habe ich interviewt, allerdings wurden diese beiden Blogs mittlerweile eingestellt.
Welche Zeitungen binden Weblogs ein?
Nach Audience und Media Blogs habe ich zeitgleich gesucht, da beide Blog-Typen in Zeitungs-Websites eingebunden sind. Da es keine umfangreiche Liste derartiger Blogs gab, habe ich die vom BDZV veröffentlichte Liste von Zeitungen als Grundlage genommen: Von den dort 635 gelisteten Zeitungen habe ich per Zufallsauswahl 200 Websites gezogen und diese per Hand nach Weblogs durchsucht. 38 dieser Websites (19%) enthielten eigenständige Weblog-Communities. Alexander Svensson hatte in einer Studie 2006 ein ähnliches Ergebnis herausgefunden. Demnach boten 20% der deutschen Tageszeitungen Weblogs an. Meine manuelle Suche bestätigt dies. (Meine Liste von Zeitungs-Websites mit Weblogs habe ich mittlerweile hier veröffentlicht.)
Journalist Blogs werden von Journalisten und unabhängig von Arbeitgebern betrieben. Hier ist Platz für eigene Themen und Kommentare. Journalisten nutzen sie zur Eigen-PR und als Austauschplattform. Wie sich später noch zeigen wird, spielen sie eine meiner Meinung nach meistens unterschätzte Rolle bei der Generierung von Aufträgen. Ich habe die von mir befragten Journalist Blogger anhand von zwei frei Listen (von Leander Wattig im MedientrendsWiki und im JoWiki) ausgewählt und nach eigenem Ermessen mir bekannte Journalist Blogger hinzugefügt.
Bei 135 Bloggern aus diesen vier Gruppen habe ich um eine Teilnahme an meiner Befragung gebeten. 66 Blogger haben mir innerhalb von drei Wochen ausführlich geantwortet. Ich war überwältigt von der Schnelligkeit und Quote des Rücklaufs (49%). Insgesamt habe ich etwa 500 E-Mails empfangen und verschickt und mehrere hundert Seiten Interviews ausgewertet.
- Eine Liste der befragten Blogger sowie ihrer Weblogs findet sich am Ende der PDFs, die im Footer des Blogs verlinkt sind.
- Einen Hinweis zur Repräsentativität der Befragung gibt es in den FAQ. Ausführlich werden methodische Aspekte in den PDFs behandelt (s. Footer des Blogs).
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