Seit geraumer Zeit interessiere ich mich für den Einsatz von Social Media bei der Arbeit von gemeinnützigen Stiftungen, Vereinen und Organisationen. Hier gibt es ganz ähnliche Probleme, Vorurteile und Fragen wie im Medienbereich, eine ähnliche Skepsis bezüglich Social Media und gewisse Parallelen bei den Chancen und Vorteilen. Weil ich genau diese Schnittstelle zwischen On- und Offlinern spannend finde und auf die Entwicklung von Social Media bei NGOs neugierig bin, war ich gestern auf dem Fundraising2.0 Camping in Essen.
Zunächst fiel auf: Der Altersdurchschnitt war deutlicher höher als auf den anderen von mir bisher besuchten Barcamps. Dennoch war es ein richtiges Barcamp: Die Sessions wurden spontan von den Teilnehmern geplant und waren keine starren Vorträge, sondern lockere Diskussionsrunden, zu denen jeder etwas beitragen konnte. Die diskutierten Fragen machten deutlich, mit welchen Problemen NGOs in Bezug auf Social Media konfrontiert sind:
- Wie lassen sich Spender mit einem Altersdurchschnitt von 60 Jahren und mehr besser erreichen: per Post, per E-Mail Newsletter oder sogar über soziale Plattformen wie Facebook? Eine eindeutige Antwort war niemandem bekannt. Klar waren Vor- und Nachteile der einzelnen Kanäle: Newsletter sind privater als öffentlich einsehbare Netzwerke. Mehr öffentliche Interaktion bindet mehr Ressourcen und kann auch Kritik enthalten, mit der professionell umgegangen werden muss. Nur: Wo genau halten sich die Silver-Surfer online auf, mit welchen neuen Kanälen kommen sie zurecht?
- Kleine Social-Media-Häppchen wie zum Beispiel projektbezogene Blogs können angemessener sein als eine große Social Media Bombe. Annette Schwindt von Schwindt PR, die per Skype am Camping teilnahm und ihr umfangreiches Facebook-Wissen teilte, dazu: “Viele rennen los, machen alles gleichzeitig, und wenn das schief geht, sind die Plattformen schuld.”
- Was genau in Frage kommt, hängt davon ab, was die Zielgruppe erwartet. Das klingt banal, ist aber meiner Meinung nach eine gar nicht so selbstverständliche Erkenntnis. Darf daher gerne mantra-artig wiederholt werden.
- Fragen wie zum Beispiel nach der Aktualisierungsrate müssen im Einzelfall beantwortet werden und hängen vom Thema ab.
- Was bringt Twitter für NGOs? Da es an diesem Tag vor allem um Fundraising ging, lautete die Antwort: “Einen Imagegewinn, vielleicht, mehr kann man da nicht erwarten.” Nach kurzer Diskussion kam dann doch einiges an Mehrwert zum Vorschein (z.B. Kontakte knüpfen, ansprechbar sein, Kompetenz zeigen im eigenen Fachgebiet). Dieser lässt sich jedoch nicht handfest messen. Eine Teilnehmerin berichtete, sie sei eine Weile anderen NGOs gefolgt, habe sie jedoch alle wieder entfolgt, weil die Tweets uninteressant waren. Was läuft falsch, wenn nicht einmal ähnlich Interessierte Tweets etwas abgewinnen können?
- Immer wieder blitzte auch die Frage durch, wie sich Social Media trotz begrenzter Ressourcen wie Zeit und Geld sinnvoll nutzen lassen? Wer soll dafür zuständig sein und wie viel Zeitaufwand ist dafür nötig?
- Annette Schwindt klärte mit kompetenten und humorvollen Antworten einige Fragen zu Facebook. Ihr Facebook-Buch, mittlerweile in der 2. Auflage erhältlich, fand während des Campings neue Käufer. Und steht ab sofort auch auf meiner Wunschliste.
Das Camping hat mir einen ersten Einblick in den Themenbereich gegeben. Ich bleibe weiter neugierig auf die Social Media Arbeit von NGOs und das Thema Fundraising2.0. Und freue mich auf zukünftige Zusammentreffen mit Menschen, die trotz einer gesunden und berechtigten Skepsis offen sind für neue, professionelle Interaktionskanäle und deren Chancen.
Vielen Dank an Alexa Gröner für die Organisation des Fundraising2.0 Campings, das in diesem Jahr außerdem noch in München und Frankfurt stattfinden wird.
1 Kommentar